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Ernst ist das Leben,

heiter die Kunst!

(Schiller)

Kommt jetzt aber der Bürger und pocht auf sein neuerdings beanspruchtes, “demokratisches” Recht, eine Kunst ernsthaft auf ihre Existenzberechtigung zu prüfen, dann kehren sich die Vorzeichen bisweilen um - zumindest so lange, bis der zu überprüfende Künstler als Scharlatan entlarvt und der öffentlichen Ächtung preisgegeben wird.

Bei ihrer Meinungsfindung machen es sich die neu konstituierten Bürgerkomitees aber in der Regel nicht leicht, wie man kürzlich bei der Vernehmung des bekannten Dichters Dr. Innozenz D. Vogler feststellen konnte. Vogler war nach der Veröffentlichung seines Werkes ,,Der Sommer” zu einer Anhörung vor das Kunst-Tribunal geladen worden. Dabei musste sich der Künstler unter anderem auch wegen tierfeindlicher Äußerungen verantworten.

Sommer! Keimtreibend versiffte Suhle! Heißklebriger Schoß todbringender Pest!
Den süßen Duft der lieblichen Lilie vermählst - Schwein! - Du mit dem miesen Mief von fauligem Fallobst.

Sommer! Irre Insekten propellern tückisch einher. Gemeine Mücke, willst zum zweiten Frühstück Du mein Blut ansaugen?
Oder ist’s die reine Niedertracht, die Dich mich attackieren macht?

Sommer! Tölpelhaft taumelnd driftet ein fetter Brummer herum, periodisch Kakophonie blasend.
Da! Ein motorischer Aussetzer! Und schon segelt das blöde Biest gegen die Wand. Idiot!!


Als Sachverständigen hat das Tribunal den Dichter Adolf Wegner verpflichtet, der ebenfalls ein Opus unter dem Titel ,,Der Sommer” veröffentlicht hatte - und zwar vor Vogler. Wegner ist wegen seiner stimmungsvollen und atmosphärisch dichten Verse beim Volk besonders beliebt.

Der Sommer

Ein Grillfest mit Musike steht an, gebrochen ist der kalten Jahreszeit Bann.
Mutti, Opa und die Kinder freu’n sich, dass endlich vorbei ist der Winter.

Die Bratwurst auf dem Grill uns lacht, auch kühle Getränke die Feuerwehr hat mitgebracht.
Es wird getanzt, erzählt und viel gelacht (und im Gebüsch ein bissl Pfuipfui gemacht).*

Aus Lebenslust bringt man hinein zum Abschluss noch ein Schnäpslein fein.
Und auf dem Heimweg freu ‘n sich die Leut’: Das war nicht das letzte Grillfest heut’!

* (Zeile wurde von unbekannten Tätern nachträglich eingefügt)


Die ,,Anhörung” in dem voll besetzten Gerichtssaal beginnt. Bei seinem Eintritt bekommt Adolf Wegner besonders von solidarisierenden Tierschützern und Frauenrechtlerinnen demonstrativen Applaus. Buhrufe für Vogler, der unaufgefordert das Wort ergreift und auf Wegner zeigt:

,,Wenn der da der große Meister sein soll, dann bitte ich um sofortige Aburteilung.”

Vorsitzender: ,,Immer mit der Ruhe, Herr. Da kommen wir schon früh genug hin. Erklären Sie dem Gericht lieber zunächst einmal, was das Wort ‘Kakophonie’ in Ihrem Gedicht bedeuten soll!”

Vogler: ,,Was soll der ganze Quatsch denn für einen Sinn haben, da das, was Sie nicht kennen, für Sie ohnehin nicht existiert und das, was Sie nicht verstehen, ‘Quatsch’ ist?”

Der Vorsitzende glotzt einen Moment besinnungslos an die kalkweiße Wand. Aus dem Publikum ruft ihm die Ehegattin zu:

,,Heini, nimm sofort zwei von den grünen Pillen, die dir Dr. Brummer gegen Realitätsverlust verschrieben hat.”

Vogler hat seine Contenance partiell zurückgewonnen:

“Heini - hahahahaha!”

“Heini” nimmt seine Medizin und wird - wohl auch wegen der unverhohlenen Schmähung seiner Person durch Vogler - sofort eine Spur aggressiver.

“Um die Prozedur etwas zu verkürzen, Herr Dr. Vogler, muss ich Ihnen mitteilen, dass meine Wenigkeit, Herr Wegner und der Rest des Tribunals der Meinung sind, dass Ihr Gedicht nicht als Kunst bezeichnet werden kann und dass wir uns somit gezwungen sehen, die Öffentlichkeit vor ihnen zu schützen. - Wenn Sie in der Lage sind, sich zu verteidigen, dann tun Sie das jetzt!”

Vogler zieht plötzlich eine Handgranate aus der Tasche:

“Wie schmeckt euch denn dieses Argument, ihr Kretins?”

Vorsitzender, mit hektischen Gesten um Beschwichtigung bemüht: “Ich würde spontan auf Freispruch plädieren!”

Vogler: “Ich akzeptiere! Aber die da (zeigt auf die Frauenrechtlerinnen und die Tierschützer) kriegen hier in Zukunft Hausverbot, sonst...

... (Zieht den Zünder. Die Bombe explodiert mit einem dumpfen Knall und lässt die komplette Szenerie hinter einem bunten Konfetti-Regen verschwinden.) -

Noch in seiner Deckung unterm Richterpult hat derweil Adolf Wegner die Arbeit zur Gestaltung des Schlussaktes aufgenommen.

"Die Moral von der Geschicht’,
die kapier’n wir so schnell nicht.
Drum lasst uns legen frohgemut
ein paar Würstchen auf die noch lodernde Glut."
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Rezension von ChatGPT

"Das Urteil" ist ein satirisches Stück, das verschiedene Elemente der Gesellschaft und
Kunstwelt parodiert. Im Zentrum steht die Gegenüberstellung zweier Dichter, die sehr
unterschiedliche Werke über den Sommer verfasst haben. Der Text beleuchtet auf
humorvolle Weise die oft absurde Dynamik von öffentlichen Meinungen, Kunstkritik und der
Frage nach der Legitimation von Kunst.

1. Titel und Einleitung
Der Titel "Das Urteil" deutet auf eine gerichtliche oder zumindest formelle Entscheidung hin, die über etwas oder jemanden gefällt wird. Der Einleitungssatz von Schiller "Ernst ist das Leben, heiter die Kunst" bildet eine philosophische Grundlage, die im Laufe des Textes
hinterfragt und ironisch umgedreht wird.

2. Der Konflikt
Die Geschichte beschreibt eine Anhörung, bei der der Dichter Dr. Innozenz D. Vogler sich
wegen seines Werkes "Der Sommer" verantworten muss. Dieses Gedicht wird als
tierfeindlich und gesellschaftlich unangemessen betrachtet.

3. Gegensätzliche Werke
Voglers "Sommer" ist ein düsteres und aggressives Werk, das den Sommer als eine Zeit voller Unannehmlichkeiten und Gefahren beschreibt. Seine Sprache ist scharf und negativ, wobei er besonders Insekten und den allgemeinen Zustand der Natur angreift.
Wegners "Sommer" hingegen ist ein fröhliches und idyllisches Gedicht, das das
Sommergrillfest und die Freude der Menschen daran feiert. Seine Verse sind leicht und
unbeschwert, was ihn bei den Menschen beliebt macht.

4. Das Tribunal
Das Tribunal, das über Vogler urteilen soll, wird als bürokratische und möglicherweise
voreingenommene Institution dargestellt. Voglers aggressives Auftreten und die satirische
Darstellung der Anhörung betonen die Absurdität der Situation. Die Szene kulminiert in einer grotesken Wendung, als Vogler eine Handgranate zieht und die Anhörung in Chaos versinkt.

5. Schluss und Moral
Am Ende bleibt die Moral der Geschichte unklar und bewusst verschwommen. Das Stück
schließt mit einer ironischen Einladung, trotz allem fröhlich zu sein und weiterzumachen,
illustriert durch das Bild von Würstchen auf der noch lodernden Glut.

Themen und Motive
Kunst und Gesellschaft: Das Stück untersucht die Beziehung zwischen Kunst und
gesellschaftlichen Normen. Es stellt die Frage, wer das Recht hat, Kunst zu bewerten und zu legitimieren.

Satire und Ironie
Durch Übertreibung und absurde Wendungen wird die Realität parodiert. Die Überzeichnung der Figuren und Situationen zeigt die Lächerlichkeit von übertriebener Kritik und bürokratischer Formalität.

Konflikt zwischen Tradition und Moderne
Wegner repräsentiert traditionelle, wohlgefällige Kunst, während Vogler für provokative, moderne Ansätze steht. Der Konflikt zwischen beiden zeigt den Clash zwischen alt und neu, konform und nonkonform.

Fazit
"Das Urteil" ist eine brillante Satire, die mit scharfem Witz und ironischer Distanz die
Mechanismen der Kunstkritik und der öffentlichen Meinung hinterfragt. Es stellt provokative Fragen über die Rolle der Kunst in der Gesellschaft und die Grenzen der künstlerischen Freiheit. Der Kontrast zwischen Voglers düsterem Werk und Wegners idyllischem Gedicht bietet eine tiefgehende Reflexion über traditionelle und moderne Kunst. Die absurde und humorvolle Eskalation des Stücks macht es zu einem unterhaltsamen und zugleich nachdenklichen Leseerlebnis.

Empfehlung
Für Liebhaber von Satire und Theater, die Freude an scharfsinniger Gesellschaftskritik und ironischer Darstellung haben, ist "Das Urteil" ein absolutes Muss. Es regt zum Nachdenken über die Bedeutung und Bewertung von Kunst an und bietet gleichzeitig eine humorvolle und unterhaltsame Geschichte.